Homosexualität in Videospielen
Homosexualität ist, in der westlichen Welt, in vielen Bereichen des Lebens zu einer alltäglichen Sache geworden. Über homosexuelle Politiker oder Figuren in Filmen und Serien regt sich kaum noch jemand auf. Und so braucht es im Fernsehen inzwischen schon eine bärtige Frau, die eigentlich ein Mann ist, um ein kleines „Skandälchen“ loszutreten. Andere Medien hinken da, zumindest gefühlt, noch einige Jahrzehnte hinterher, so zum Beispiel die Videospiele.
Homosexuelle Spielfiguren haben Seltenheitswert
Wer sich auf die Suche nach homosexuellen Protagonisten in Videospielen macht, der muss tief graben. Prominentestes Beispiel ist wohl die beliebte Lebenssimulation Die Sims. Hier können die Spieler ihre Figuren auch homosexuelle Beziehungen eingehen lassen und das seit der ersten Version des Spiels von 2001. Der aktuellen Version, Die Sims 4, hat das in Russland auch prompt eine Einstufung ab 18 Jahren eingebracht, anders können sich Beobachter die hohe Altersgrenze für das ansonsten eher harmlose Spiel zumindest nicht erklären.
Ein weiteres prominentes Beispiel ist die Spieleserie Mass Effect. Hier kann der Spieler der Hauptfigur, Commander Shepard, ebenfalls zu einem gleichgeschlechtlichen Liebesabenteuer verhelfen, inklusive passender Bettszene. Und obwohl der Spieler die freie Wahl hat, ob er dies tun möchte oder nicht, hat es in den USA für eine Welle der Empörung gereicht, losgetreten vom Fernsehsender Fox.
Ursachenforschung
Wer sich auf die Suche nach Gründen begibt, wieso Homosexualität in Spielen so selten stattfindet, der findet selten ehrliche Antworten. So erging es auch den Spielern der Nintendo-Lebenssimulation Tomodachi Life, die eine Petition für gleichgeschlechtliche Ehen im Spiel starteten. Nintendo lehnte ab, mit der Begründung, man wolle mit dem Spiel keine „sozialpolitischen Kommentare“ abgeben, sondern die Spieler „in eine unterhaltsame und bunte Welt entführen“. Dass das weglassen dieser Option ein mindestens genau so starkes Statement ist wie das hinzufügen erkannte auch Nintendo danach schnell und musste zurückrudern. In einer zweiten Mitteilung hieß es dann, eine so tiefgreifende Änderung des Spieles, wie das Hinzufügen von gleichgeschlechtlichen Beziehungen, sei aus technischer Sicht nach Fertigstellung nicht mehr möglich. Nintendo versprach aber, in zukünftigen Spielen darauf zu achten, die „Verschiedenartigkeit der Spieler besser zu repräsentieren“.
Oft stecken in Wirklichkeit jedoch wirtschaftliche Überlegungen hinter solchen Entscheidungen. Auch wenn in Deutschland, laut einer Studie der GfK, inzwischen fast jeder zweite Gamer weiblich ist
[ref]http://www.biu-online.de/fileadmin/user_upload/pdf/BIU_Profilstudie_Gamer_in_Deutschland_2011.pdf[/ref]
, gelten Videospiele immer noch als Männerdomäne, was unter anderem daran liegen dürfte, dass inzwischen zwar auch viele Frauen spielen, die aber klassischerweise eher Casual-Games auf dem Handy oder im Browser spielen, während bei AAA-Titeln immer noch Männer den deutlich größeren Teil der Kundschaft ausmachen. Da selbst in aufgeklärten Ländern wie der Bundesrepublik rund 70% aller Jungen eine offen negative Einstellung zur Homosexualität haben
[ref]http://www.iconkids.com/deutsch/download/presse/2002/2002_2.pdf[/ref]
, ist es also wenig verwunderlich, dass viele Hersteller das Thema Homosexualität scheuen, um keine Kunden zu vergraulen. Übersetzt in Marketing-Sprech heißt es dann, man wolle den Spielern Figuren liefern, mit denen sie sich identifizieren können, heterosexuelle Figuren eben.
Ein weiterer Grund ist, dass die Videospiele-Industrie, in großen Teilen, noch mehr als ihre Konsumenten, eine eingeschworene Männergemeinschaft ist. Aline Schleger, eine lesbische Animatorin bei Ubisoft, sagte es gegenüber dem Online-Magazin Gamasutra so: „I don’t think the gaming industry is as bad as sports, but the typical developer company is composed of youngish guys. ‘The sausage party,’ as everyone here calls it, is a common place to see insecurity and immaturity“. Es dürfte den meisten Entwicklern also gar nicht erst in den Sinn kommen eine homosexuelle Figur in ihr Spiel einzubauen.
Klischees werden gerne bedient
Es geht aber auch andersherum. Bei manchem Spiel würde man sich wünschen, die Entwickler hätten auf ihre homosexuelle Protagonisten lieber verzichtet. Prominentester Vertreter dieser Gattung von Charakteren ist „Gay Tony“ aus Rockstars Blockbuster GTA 4. Der drogenabhängige Besitzer einer Schwulenbar, die den Namen „Hercules“ trägt, ist immer schrill gekleidet und hat einen Hang zum Champagner. Diese Darstellung von Homosexualität kann man offenbar sogar dem härtesten Gamer zumuten. In Spielen aus dem asiatischen Raum werden Schwule oft als besonders weiblich und feminin, oft auch in Frauenkleidung, dargestellt, während Lesben besonders maskuline Züge tragen.
Braucht es mehr Homosexuelle in Videospielen?
Brauchen wir also mehr Homosexuelle in Videospielen? Brauchen wir eine „Quotenlesbe“ in jedem AAA-Titel? Mit Sicherheit nicht. Ziel muss vielmehr ein natürlicher Umgang mit dem Thema sein, wie es andere Medien mittlerweile auch immer besser schaffen. Wenn man im Shooter Call of Duty mit einem Kameraden einer anderen Hautfarbe ins Gefecht zieht, rümpft heute ja auch niemand mehr die Nase. Und letztendlich kann Homosexualität in Spielen, gerade in Story-getriebenen Titeln, auch ein echter Pluspunkt sein, eröffnet sie doch ganz neue Story-Wendungen und die Möglichkeit den Charakteren zusätzliche Tiefe zu verleihen.